auf Deutsch

Nefes (QueerBase)

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Nikki (Grüne), Berry (Links) & Dominique (SPÖ)

Für alle, die mich nicht kennen: Hi, ich bin die Nikki. Ich bin Sprecherin der Grünen Andersrum hier in Wien; und ich bin so extrem froh, dass wir drei heute gemeinsam hier auf der Bühne stehen – in der Sache verbunden, auch über Parteigrenzen hinweg – weil wir brauchen eine stabile vereinte Linke als starkes Gegengewicht zum Rechtsruck in Österreich: Wir müssen nur auf die letzten paar Landtagswahlen schauen, dann sehen wir: Die ÖVP hat nach wie vor überhaupt gar kein Problem damit, mit der rechtsextremen FPÖ zu koalieren und das ist ganz besonders im Hinblick auf die Nationalratswahl nächstes Jahr super super beunruhigend und scary because THEY ARE COMING FOR OUR RIGHTS: Wir sehen in den USA, wie rechte Politiker:innen in einem Bundesstaat nach dem anderen queer* und trans* Rechte einschränken und eliminieren: Der Zugang zu Gender Affirming Healthcare – also einem grundlegenden Bestandteil der Gesundheitsversorgung für uns trans* Menschen – wird immer weiter eingeschränkt und das ist nur die Spitze des Eisbergs von disgusting Anti-Trans-Bills in Amerika.

Aber wir müssen gar nicht so weit weg in die USA schauen: Polen, Ungarn, die Slowakei, das Vereinigte Königreich und nicht zuletzt … Österreich – überall werden wir zum neuen Lieblingsfeindbild der Rechten gemacht. Die FPÖ spricht von „Transgenderwahnsinn“, „hasserfüllter Transgender-Lobby“ und vermischt das dann noch mit Drag Queens, die angeblich Kinder indoktrinieren wollen. Aber das alles schreit nur so vor Angst. FPÖ und Rechtsextreme überall haben Angst vor uns, weil sie wissen: Wir sind stärker! Wir sind eine Community und wir halten zusammen und wir kämpfen gemeinsam für unsere Rechte! Danke!

 

Ich bin Berry, nicht-binär, Pronomen er ihn und ich bin bei LINKS Wien. Immer wenn es um Queerfeminismus, Sexarbeit und Polizei-Repression geht, werdet ihr auf mich treffen.
Man denkt sich “oh wow ne Partei wo ganz viele Menschen sind die sich als Kommunist*in oder super-Links bezeichnen.” Kann ja nur einfach sein für trans Personen. Denn Rechte für alle bedeuten auch Rechte für mich.
Rechte ja. Sichtbarkeit. Nicht immer. Ich habe öfters die Erfahrung gemacht, dass ich einfach vergessen wurde. Bei den einfachsten Sachen. Es fing mit Bedankungen der Organisation des bisher größten Events von uns an, ging weiter dass ich sogar bei Pride-Fotos verdeckt war, als auch dass gesamte Redebeiträge nicht weitergeleitet wurden. Aber bei meinen cis oder hetero Kolleg*innen war das selten ein Problem.
Aber als ich mich zum gefühlt 10. Mal beschwerte und laut war, sagte eine Genossin: Tut mir echt unendlich Leid. Aber wir sind leider auch nicht frei von den gesellschaftlichen Zwängen. Queers werden überall unsichtbar gemacht.
Und sie und andere haben daran gearbeitet. Und ich sehe. Es wird besser. Sie denken gezielt daran. Weil sie auch gelernt haben. Dass Sichtbarkeit Macht ist. Dass wir Queers, obwohl wir manchmal extrem bunt sind, trotzdem hinten weg fallen.

Wenn wir nicht sichtbar sind. Dann sind wir kein Teil der Gesellschaft.
Aber ich kann euch versprechen. Wenn wir laut sind. Werden wir gehört. Und manchmal dringen wir zu anderen Menschen durch.
Seit ich bei LINKS 2020 beigetreten bin, hat sich vieles verbessert. Und mit jedem Jahr fühle ich mich mit meinen Genoss*innen und Freund*innen wohler. Ich könnte mir keinen besseren Platz vorstellen. Denn gemeinsam lernen wir und nehmen wir aufeinander Rücksicht. Wenn ich in der Not bin, dann sind sie da. Egal wie sehr man sich am Tag davor angeschrien hat. Es lohnt sich wirklich, sich zu organisieren.

 

Vielen Dank dass ich heute hier sprechen darf. Als Bezirksrätin aus dem Alsergrund freue ich mich besonders, dass die Kundgebung ihren Startpunkt bei uns im Bezirk hat. In Zeiten wo wir einen anstieg an Hassverbrechen an der LGBTIQ+ Community und insbesondere an trans* Menschen erleben ist, solch eine Kundgebung organisiert von vielen mutigen Aktivist*innen besonders wichtig.

Trans* inter und nicht binäre Menschen werden gezielt durch Rechte Parteien dämonisiert und dies führt zur realer Gewalt gegen uns. Im Jahr 2023 darf niemand mehr Angst haben müssen auf die Straße zu gehen und zu zeigen wer man ist, wen man liebt oder in welchem Geschlecht man lebt. Deswegen fordern wir endlich einen besseren Schutz von queeren Menschen und fordern einen Nationalen Aktionsplan gegen Hassverbrechen. Wenn die Politik und ÖVP Innenminister Karner uns ignoriert muss wiedereinmal die Zivilgesellschaft sich Gehör verschaffen. Wir gedenken heute allen Opfern von transfeindlicher Gewalt. Nicht nur physische sondern auch psychische Gewalt wird uns angetan. Deswegen fordern wir auch endlich ein Ende von Konversionstherapien die uns umpolen sollen und zu unsäglichen Leid führen. Setzten wir heute ein starkes Zeichen geschlossen als Community. Denn trans* Rechte sind Menschenrechte! Vielen Dank

 

Manuel (ÖH)

Mein Name ist Manuel, meine Pronomen sind er/ihm, einige von euch kennen mich von Cha(i)nge, einige kennen mich als Queer_Referent der Österreichischen Hochschüler_innenschaft. 

Wir stehen heute schräg gegenüber von der Universität Wien und ich will mit euch über die Diskriminierung von trans Personen an Hochschulen sprechen!  Bis heute ist es trans Studierenden ohne rechtliche Namensänderung nicht möglich, im internen Hochschulsystem ihren selbstgewählten Namen zu tragen. Das führt nicht nur dazu, dass trans Studierende auf Anwesenheitslisten und auf E-Learning-Plattformen teils täglich mit ihrem Deadname konfrontiert werden, sondern kann auch zur Folge haben, dass trans Studierende in Lehrveranstaltungen gegen ihren Willen geoutet werden. 

Seit mindestens acht Jahren – und das ist nur soweit wie ich selbst die Bestrebungen zurückverfolgen konnte – fordern Studierendenvertreter*innen die freie Namenswahl für trans, inter und nichtbinäre Student_innen! 2015 hat die Österreichische Hochschüler_innenschaft ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, aus dem hervorgeht, dass der freien Namenswahl rechtlich nichts im Wege steht. 

Dass an Hochschulen bisher keine Möglichkeiten geschaffen wurden, durch die trans, inter und nichtbinäre Menschen ohne Angst vor einem Fremdouting studieren könnten, ist also allein auf die Entscheidungsträger_innen an Hochschulen zurückzuführen und die Schuld der Rektorate, die untätig bleiben. 

Einige junge trans Menschen entscheiden sich für ein Studium, nicht nur des Studiums wegen, sondern auch um ihren Familien und ihrem Freund*innenkreis am Land, einen plausiblen Grund zu liefern, um wegzuziehen, um ihr Dorf zu verlassen, Community zu finden und ihre Queerness nicht länger zurückhalten zu müssen.

Ich bin einer dieser Menschen und gerade deshalb ist es mir so wichtig, dass trans, inter und nichtbinäre Menschen sicher durch ihren Studierendenalltag gehen können – ohne misgendert und gedeadnamed zu werden, ohne sich überlegen zu müssen, wo die nächste sicherere Toilette ist, ohne sich fragen zu müssen, ob sie bei Unisportangeboten mitmachen können oder ob ihre Lehrpersonen ihre Identität respektieren werden.

Ich will nicht, dass die Menschen, die nach mir das Queer_Referat übernehmen werden noch immer dieselben Forderungen an Hochschulen stellen wie bereits ich und meine Vorgänger*innen! Darum fordere ich die Entscheidungsträger_innen an Hochschulen auf jetzt zu handeln, um die strukturelle Diskriminierung von trans Personen in ihrem eigenen Handlungsreich zu beenden – und einer Gesellschaft entgegenzustreben, die trans Personen offener gegenübersteht. Danke.

Miré (Venib)

Verwaltungsgerichtshof. Verfassungsgerichtshof. Aufschiebende Wirkung. Rechtskraftsbestätigung. Bescheidbeschwerde. Säumnisbeschwerde. Außerordentliche Revision. Fachbegriffe, mit denen normalerweise nur Jurist*innen umgehen müssen – aber für mich und meine Mitstreiter*innen sind sie schon so gut wie altbekannt. Wir bei Venib – Verein Nicht Binär kämpfen nämlich dafür, dass die alternativen Geschlechtseinträge auch für nicht-binäre trans Personen zugänglich werden. In der ersten Instanz haben alle von uns Recht bekommen. Der Verwaltungsgericht Wien sagt, dass die Einträge nicht-binär, divers oder die Streichung des Eintrags auch für trans Personen zugänglich sein sollen. Ich hab bereits einen neuen Pass mit dem Eintrag X holen können, und es ist ein wunderbares Gefühl!
Der Kampf ist aber noch nicht zu Ende. Das Innenministerium will diese Entscheidungen beim Verwaltungsgerichtshof bekämpfen. Zur Zeit sind alle 4 Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof – und es wird ein Senat darüber entscheiden, das ausschließlich aus alten, weißen cis Männer besteht. Zu oft ist das so in den Leben von trans Personen. Wir werden fremdbestimmt, bevormundet, müssen fünftausend Befunde und Gutachten vorlegen, um zu beweisen, dass wir sind, wer wir sind. Aber cis Personen wird einfach geglaubt!
Wir kämpfen bei Venib auch für andere Sachen. Nicht nur, dass alle trans Personen selbstbestimmt über ihren Geschlechtseintrag entscheiden können, sondern für ein volles Leben in Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Respekt, für Entmarginalisierung und Enttabuisierung. Wir sind ein Ort für Wissensarbeit und Reflektion sowie Platz gegenseitiger Unterstützung. Bei Gender*Galaxie, unseren monatlichen Treffen, können nicht-binäre Personen Unterstützung und Community finden. Unser Plena sind offen für Leute, die bei uns mitmachen und für unsere Ziele kämpfen möchten. Unsere Arbeitsgruppen haben ein breites Spektrum und decken viele Aspekte des nicht-binären Lebens ab: Queer Health, Sprache, Recht, Präsenz, und Barrierefreiheit. Also macht mit, oder kommt einfach zum Chillen – das ist ja auch wichtig.
Danke für die Aufmerksamkeit, und zum Schluss, wie immer: Trans Rechte sind Menschenrechte!

Panda

Ich möchte heute am TdoR den Aspekt des gemeinsamen Gedenkens hervorheben. Unglaublich viele trans* Personen haben jeden Tag mit mentalen Problemen, vorallem Suizidgedanken zu kämpfen. Viele haben sich auch deswegen das Leben genommen. Das Gedenken an alle trans* Freunde, Familienangehörigen und andere Bezugspersonen die wegen Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung von uns gegangen sind ist mir heute besonders wichtig. Transitionen können war und ist ein Privileg. Einen Safe space zu haben wo man sich ausdrücken kann wie man will ist ein Privileg. Eltern zu haben die einen Unterstützen ist ein Privileg. Alle diese Sachen sollten aber keine Privilegien sein. Jede Person braucht einen Rahmen um sie selbst zu sein und die eigene Geschlechtsidentität in welcher Form auch immer auszudrücken. Wir können zwar nicht allen Transphoben Personen das Lieben beibringen, dafür können wir aber Räume der Liebe und Akzeptanz schaffen wo jeder willkommen ist. Wir können uns gegenseitig zeigen das wir geliebt sind uns so gut sind wie wir sind. Gemeinsam sind wir stark!

Mo (Hosi Wien)

Alle Jahre wieder. Alle Jahre wieder stehen wir hier am Trans
Day of Remembrance und gedenken den Opfern von
transfeindlicher Gewalt. Gerade in Österreich, fallen jedoch
viele trans Menschen nicht der Hand einzelner Täter zum
Opfer, sondern viel öfter ihren Zungen. Der psychische Druck,
der auf uns trans Menschen lastet, ist mitunter immens. Auf der
Straße werden wir beschimpft, bei der Arbeit diskriminiert, in
unseren Familien geächtet. All das nur, weil unsere psychische
Geschlechtsidentität nicht mit der übereinstimmt, die unser
Körper vermuten lassen würde. Wer nicht intergeschlechtlich
von uns ist, bekommt eigentlich immer ein Skript zugewiesen,
nachdem der kleine Casanova oder die kleine Prinzessin sich
dann zu verhalten hat. Doch nicht immer stimmt dieses Skript
eben mit der inneren Geschlechtsidentität überein. Auch cis
Personen kennen diesen sexistischen Leistungsdruck, dem
auch sie oft nicht entsprechen können. Vielleicht schafft das
Verständnis für unsere Identitäten, die teils so garnicht mit den
jeweilig zugewiesenen sozialen Geschlechtern übereinstimmen
mag.

Eigentlich kennen wir diese Debatten und Phänomene aus dem
Feminismus. Ein Feminismus, der sich zum Großteil zuerst den
Anliegen von weißen reichen cis Frauen annahm, und dann
versuchte nach und nach alle privilegierten blinden Flecken zu
erkennen und zu eliminieren. Ein rein weißer Feminismus, ist
ein trauriger Feminismus, ein rein für das Bildungsbürgertum
angelegter Feminismus, ist ein oberflächlicher Feminismus. Ein
transexklusiver radikaler Feminismus, ist ein Feminismus, der
die strukturellen Probleme des Patriarchat außer acht lässt und
verneint, dass unter dem Patriarchat auch andere Menschen
als endo-cis Frauen leiden. Seit wann sind manche dazu
übergegangen zu glauben, dass es okay ist die gewaltsamen Gatekeepingpraktiken die Männerbünde verwenden,
unüberlegt zu übernehmen?

Der psychische Druck, der auf trans Personen lastet, kommt nun nicht nur von außerhalb der queeren Community, sondern
wenn wir nicht aufpassen, immer mehr von innerhalb des
Hauses, das wir uns als Schutz nach außen gebaut haben.
Umso wichtiger sind solidarische laute Aktionen, wie die
Gründung des Lesbenrats, der sich aktiv für die Weiterbildung,
den Dialog zwischen den Communities und allgemein
unterstützend einsetzt. Gegen Hass aus der eigenen
Community stellt. Es ist für uns trans Personen wichtig, dass
sich Verbündete für uns aussprechen. Nicht wenige der
Menschen, die trans sind, werden durch die genannten Gründe
mindestens in einer Zeit ihres Lebens suizidal. Noch immer ist
die medizinische Versorgung in einem, wie es immer heißt, so
modernen Industrieland wie Österreich prekär. Wie kann es
sein, dass derzeit behandelnde Mediziner*innen ihre
Kolleg*innen aus anderen Bereichen anflehen müssen, damit
diese sich selbst zu dem Thema weiterbilden. Das führt zu
langen Wartelisten, wenn trans Menschen medizinische
Betreuung benötigen und potenziell zu privaten Experimenten,
weil es für einige einfach nicht mehr auszuhalten ist, ihren
medizinischen Transitionsweg endlich zu gehen, nicht Monate
oder Jahre darauf zu warten. Wie viele wir auf dem Weg zu
einem besseren Leben im eigenen Geschlecht verlieren, kann
leider niemand so genau in Zahlen sagen. Der Markt regelt
eben nicht, wenn die Betroffenen Teil einer gesellschaftlich
benachteiligten Minderheit sind. Scheinbar kann man an uns
einfach nicht genug Geld verdienen, dass es lukrativ genug
wäre sich in die Richtung zu spezialisieren, weshalb der
seidene Faden an dem unsere Gesundheitsversorgung hängt,
von wenigen communityunterstützenden Menschen gehalten
wird. Dabei sind einige der Untersuchungen und Behandlungenganz alltägliche Routinemaßnahmen, an die sich bei trans Personen auf einmal kaum noch jemand rantraut. Bei einer Tagung zum Thema Gesundheitsversorgung für trans Menschen, las letztens einer der behandelnden Ärzte mehrere
Zuschriften vor, die ihm mitunter vorwarfen seiner
Sorgfaltspflicht nicht nachzukommen, weil er einen trans Mann
die medizinische Versorgung gewährte, die er laut seiner
medizinischen Sorgfaltspflicht ja eigentlich ohnehin gewähren
sollte. Es folgten einige transfeindliche uninformierte Aussagen,
die ich an dieser Stelle hier garnicht reproduzieren möchte. Ich
frage mich manchmal, ob solche Erlebnisse nicht durch breite
Bildungsmaßnahmen verhindert werden könnten. Denn Fakt
ist, die Co-morbiditäten, die mit einer Geschlechtsdysphorie oft
einhergehen, zum Beispiel Depressionen, wurden laut
Untersuchungen und seiner eigenen Beobachtung nach fast
immer milder oder verschwanden sogar komplett.
Er ist sich als Arzt mit LGBTIAQ-Fokus den Zusammenhängen
und Unterschieden von einzelnen Communities in der
Regenbogenfamilie bewusst. Auch der Lesbenrat klammert
nicht aktiv aus, dass Lesben eben auch zufällig trans sein
können, inter Personen auch bisexuell, usw.

Ein Blick in unsere geteilten Geschichte, nämlich der Homosexuellenverfolgung des letzten Jahrunderts, den ich vor
einiger Zeit bei QWien nehmen durfte, zeigt:
Geschlechtsidentität und Sexualität sind nicht immer so
eindeutig, wie sich das die Herrschenden im damaligen
Nazi-Regime oder manche auch heute noch vielleicht erhofft
haben. Ich hatte die Ehre ein paar wenige Akten, bei denen die
Geschlechtsidentität der Opfer von Homosexuellenverfolgung
nicht eindeutig zu bestimmen war einsehen zu können, bzw. wo
es Hinweise auf eine mögliche trans Identität gegeben haben
könnte. Da gab es zum Beispiel den Fall von Leopold W, bzw.
Lea W., die sich bei Vernehmungen der Gestapo im Jahre 1939immer wieder selbst als Lea bezeichnete, was für einen Kunstnamen auffällig nah an ihrem männlich konnotierten Geburtsnamen dran lag. Sie oder er verwendete meist die Pronomen sie/ihre, und gab bei ihrer Aussage an, zwar mit
Männern verkehrt zu haben, jedoch nicht homosexuell
veranlagt zu sein. Das ergab für die damaligen
Gestapo-Offiziere wenig Sinn und hätte als Schutzbehauptung
gewertet werden können, mit einem vorsichtigen Blick von
heute auf die Akte, könnte man jedoch vermuten, dass sie
vielleicht einfach im Inneren eine Frau war. Im Vergleich zu
ähnlichen Akten, in denen sich Beschuldigte gerne als
Damenimitatoren bezeichneten, blieb ihnen Lea vermeintlich
einer Antwort schuldig, warum sie sich wiederholt “weibisch
kleidete”, Perücken trug, oder trotz ihrer eingestandenen
sexuellen Kontakte mit Männern eben nicht als homosexuell
veranlagt bezeichnete. Ich möchte nochmal sagen, wir können
auf diese Fälle nur mit einer zeitlich gefärbten Brille von heute
blicken, und müssen vorsichtig mit Interpretationen umgehen,
da wir keine Geschichtsfälschung betreiben wollen. Aber die
Suche nach solchen Fällen zeigt den verzweifelten Versuch,
unsere verstorbenen und verfolgten trans Geschwister sichtbar
zu machen. Es gibt so wenige Aufzeichnungen über eine
Gruppe, die schon immer da war, wenn auch vielleicht mit
anderen Selbst- und Fremdbezeichnungen als heute.
Es zeigt, wir suchen unsere eigene Geschichte, die uns durch
die Cisnormativität und Geschichtsfälschung auf Seiten der
Unterdrückenden genommen wurde. Es ist mühsam, aus den
Trümmern, die das hinterlassen hat, ein solides Fundament für
unser eigenes Haus der Geschichte zu bauen. Deshalb
müssen wir uns der Verflechtung unserer geteilten Schicksale,
unserer geteilten Identitäten bewusster werden. Wir können
uns alle ein eigenes Haus in der Regenbogennachbarschaft
der LGBTIAQ-Community bauen, aber es muss uns bewusst sein, dass die Türen dazu offen sein sollten. Bewusst sein, dass es bekannte und noch unbekannte Verbindungsgänge im Untergrund zueinander gibt. Geschichtsvergessenheit und geschlossene Herzen gilt es zu vermeiden, denn gerade die trans Community ist eines der angreifbarsten Glieder, weil
nunmal unser Fundament sehr löchrig ist. Sehen wir uns also
als Nachbarschaft mit Willkommenskultur, und nur dann als
gated Community, wenn Angriffe von außen kommen. Wir
sollten unsere Kräfte darauf verwenden, uns gemeinsam gegen
Ignoranz und Spaltungsversuche zu stellen, bitte nicht
gegeneinander.

Ich habe es letztes Jahr gesagt, und ich sage es dieses Jahr,
Bildung schützt vor Unverständnis, respektvolle Kommunikation
vor Abgrenzung. Ich sehe es als meine Aufgabe als Leitung
des Transgenderreferats der HOSI Wien, als Aufgabe unserer
GESAMTEN Queercommunity, aber auch als meine persönlich
Aufgabe, unsere Geschichte aufzuarbeiten. Die Trümmer
unserer Geschichte zu einem soliden Fundament aufzubauen,
das Wind, Wetter und vor allem Hass standhalten kann. Aber
gleichzeitig die Welt zu einem weniger unsicheren Ort für trans
Menschen zu machen. Dazu bitte ich euch alle um eure aktive
Mithilfe, krempelt die Arme hoch und packt an!

Anwar (Afro Rainbow Austria)

Guten Abend zusammen, Mein Name ist Anwar und ich bin heute im Namen von Afro Rainbow Austria hier. Wir stehen heute hier, um das Leben von Transgender- und Gender-Non-Conforming-Personen zu ehren und ihrer zu gedenken, die uns viel zu früh von gewalttätigen Personen und diskriminierenden Systemen genommen wurden, die uns regelmäßig kontrollieren und verletzen. Heute möchte ich speziell auf die Überschneidung von Rassismus und Transphobie aufmerksam machen und insbesondere die dringende Notwendigkeit einer größeren Unterstützung und Solidarität mit meinen schwarzafrikanischen trans- und nicht-binären Geschwistern hervorheben. In unserem Streben nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ist es wichtig, dass wir die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Gewalt auf schwarzafrikanische transgender und nicht-binäre Menschen anerkennen und angehen. Allzu oft sind wir mit sich überschneidenden Diskriminierungsschichten konfrontiert, was uns extrem anfällig für systemische Ungerechtigkeit macht. Rassismus, Transphobie und die Überschneidung dieser Unterdrückungen stellen uns vor einzigartige Herausforderungen, die unsere gemeinsame Aufmerksamkeit und unser Handeln erfordern. Mögen wir das Andenken derer, die wir verloren haben, ehren, indem wir aktiv auf eine Zukunft hinarbeiten, in der unsere Stimmen gehört werden, unsere Geschichten Gehör finden und wir solidarisch gegen die Diskriminierung, der wir ausgesetzt sind, eintreten; eine Zukunft, in der jeder Mensch, unabhängig von seiner Rasse oder Geschlechtsidentität, frei von Angst und Diskriminierung leben kann. Wir erinnern uns an euch und werden euch nie vergessen. Angesichts der Besessenheit leisten wir Widerstand und feiern weiterhin unsere schönen Körper.

Sam & Lara (Trans Femme Fatale)

Im letzten Jahr gab es viele Rückschläge für die Akzeptanz von trans, inter und nicht binären Personen weltweit – und auch hier in Österreich wird der Ton immer rauer und gerade die FPÖ sticht hier immer wieder negativ hervor.

Diese wettern ununterbrochen gegen unsere Existenz. Sie sympathisieren mit autokratischen Regimes wie Orban, Meloni und Putin und setzen alles daran, uns unsere hart erkämpften und oftmals auch durch viele Instanzen erklagten Rechte zu nehmen.

Sie sprechen von einer “LGBTQ-Lobby” und “Transgender-Irrsinn der aus den USA nach Europa schwappt” und meinen eigentlich nur ihren Hass gegen alles, was nicht in deren Bild einer Welt, die nur aus “Vater arbeitet, Mutter ist zu Hause und das Kind hat brav die Goschn zu halten und nirgends anzuecken” zu sein scheint.

“Wenn bereits Kleinkinder mit dem Blödsinn indoktriniert werden, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und sie jederzeit ihr Geschlecht ändern können, dann muss dieser Wahnsinn von den Schwächsten unserer Gesellschaft – den Kindern ferngehalten werden” – Zitat Dominik Nepp

Was ist die Folge dieses Fernhaltens? Zu Beginn dieses Jahres setzte ein 14jähriger trans Junge im Salzburger Pongau seinem Leben ein viel zu frühes Ende.

Mit 14 keine Perspektive als den Suizid sehen zu können, ist eine Folge des Hasses der Faschos der FPÖ und dieser Gesellschaft, eine Folge der Isolation von Kindern gegenüber trans Menschen durch ihre Eltern, des Verschweigens ihrer Existenz.

Im Online Kondolenzbuch des Bestattungsunternehmens findet sich folgendes:
“Alles liebe… ich hab ihn gekannt aber bitte wenigstens wenn ihr ihn lebendig nicht mit seinem richtigen namen genannt habt, macht es wenigstens wenn er nicht mehr da ist. Rip small angel”

Sein Name ist dort nicht zu finden.

Lucy Salani, die einzige italienische trans Frau, die ein Konzentrationslager überlebt hat, starb dieses Jahr mit 98 Jahren. Letztes Jahr starb auch Cloe Bianco. Bekannt wurde die italienische trans Frau durch ihren in den Medien erwähnten Suizid.

Die ursprünglich aus Marcon, Venedig stammende technische Lehrerin an einem Gymnasium, hatte 2015 ihr Coming-out. Die Eltern mancher Schüler*innen empörten sich über die feminine Präsentation von Cloe.

Alsbald gab es auch Anfeindungen durch die Politik. Elena Donazzan von Fratelli d’Italia, deren Mitglied auch Georgia Meloni ist, bezeichnet deren Coming-out als “Karneval”.
Cloe Bianco wurde später aus ihrer Arbeit verdrängt und dann nach und nach aus der Öffentlichkeit verbannt.

Cloe wollte keine Hormontherapie beginnen. In Italien ist es zwingend erforderlich, mindestens 1 Jahr lang eine Hormontherapie in Anspruch zu nehmen, um den Namen und den Geschlechtseintrag ändern lassen zu können.

Kurz vor ihrem Suizid hinterließ sie noch einen Eintrag auf ihrem Blog und kündigte dort ihren Suizid an. In ihren letzten Schriften rechtfertigte sie nicht ihre Selbsttötung, sondern schrieb über die Wichtigkeit von Rechten von trans Menschen.

Später fanden Feuerwehrleute ihr Auto, in dem sie aktuell wohnte, in Flammen stehend auf. Im Inneren des Lieferwagens wurde ihre verkohlte Leiche gefunden.

Italienische Medien, die vom Tod Cloes berichteten, machten keinen Hehl daraus, dass sie, für sie keine Frau war: Viele Artikel italienischer Medien wie die La Stampa verwendeten für Cloe er-Pronomen und nannten ihren Deadname.

Die Geschichte des Suizides von Cloe Bianco, eine trans Frau, die von starker Diskriminierung bei der Arbeit geprägt war, wurde zu einem Beispiel, wie das tägliche Leben eines trans Menschen in Italien sein kann.

Linke Parteien geben Meloni, der selbsterklärten ‘Postfaschistin’, offiziell eine Mitschuld an dem Suizid.

Heute gedenken wir ihr und allen anderen Menschen, die wir letztes Jahr aufgrund von Hass und Gewalt verloren haben. Wir sind in unseren Gedanken bei allen, die sich für unsere Rechte einsetzen und deshalb Repressalien erdulden müssen und verfolgt werden.

Gemeinsam sind wir stark und wehren uns gegen die Angriffe und Repressalien die uns entgegenschlagen. Lasst uns aufstehen und gegen den Hass und die Transfeindlichkeit die uns entgegenschlägt kämpfen. Tag für Tag. Überall. Lasst uns Solidarisch unsere Rechte verteidigen. Wir sind nicht allein,unser Kampf ist ein miteinander, ein miteinander aufbegehren gegen Bigotterie und Feigheit, ein miteinander zusammenhalten,

Wir. sind. nicht. allein!

Niemals vergessen – never forget – mai dimenticare

Georgmaria (Chainge Trans Peer Group Vienna)

Als ich aufgewachsen bin, gab es wenig Repräsentation, nicht einmal Erklärungen. Ich hatte das schleichende Gefühl, falsch zu sein – fundamental nicht in Ordnung, aber ich konnte es nicht in Worte fassen. Alles, das ich wusste, war, dass es stätig wuchs, und dass ich wollte, dass es aufhört. Ich habe zum ersten Mal mit 12 Jahren versucht, mich umzubringen. Es war 1998 und ich war allein, verloren und hatte Angst.
Nun bin ich offensichtlich noch hier, und es ist besser geworden, mit der Zeit. Das ist genauso dem Fakt geschuldet, endlich realisiert zu haben, dass ich trans bin und die richtigen Menschen um Hilfe gebeten habe, als auch dem, dass Unbekannte im richtigen Moment da waren, und ich im falschen Moment nicht aufgegeben habe.
Es ist besser geworden, und ich bin noch hier. Wir sind hier. Viele von uns bekommen nie die Möglichkeit dazu. Sie kämpfen, die richtigen Worte zu finden, oder sie finden sie und können dann nichts machen. Oder sie kämpfen so hart dafür, die Person zu werden, die sie wissen, dass sie diese sind, nur um immer wieder nein gesagt zu bekommen – von anderen, aber auch von sich selbst. Für alle die sich einsam, verloren und ängstlich fühlen, die noch einen Tag, eine Stunde, eine Minute durchhalten: bitte, haltet weiter durch.

Die Gesellschaft mag euch im Stich gelassen haben. Eure Eltern, eure Schule, Menschen von denen ihr dachtet sie sind Freund_innen mögen euch im Stich gelassen haben. Euer Arbeitsplatz, der Mensch von dem ihr dachtet, ihr verbringt den Rest eures Lebens miteinander, mögen euch im Stich gelassen haben. Ihr mögt euch verlassen und voller Angst fühlen und keine Zukunft für euch sehen können. Und das ist okay. 

Es wird nicht magischerweise besser werden. Aber bitte haltet durch, noch eine Minute, eine Stunde, noch einen Tag. Das ist alles, was ihr gerade tun müsst. Eure Community ist hier. Die Menschen, die euch unterstützen und verstehen werden, auch in den dunklen Momenten, besonders dann – es gibt sie, und ihr werdet sie finden, oder sie euch.  Ihr werdet euren tribe finden – und ihr werdet eure Stimme finden. Oder vielleicht habt ihr all das schon gefunden, was so wunderschön ist.

Ich möchte einen Moment innehalten, um all jenen danken, die den heutigen Tag möglich gemacht haben: Manuel, Skye, Light, Lex, Hannah, Panda, Em, Sam und Ruadhán, Avery und Viola, Lina, Raphi; unserer wunderbare Moderation; auch ein großes Dankeschön an Awa*Stern, dass sie heute hier sind, und an alle anderen, die dazu beigetragen haben, unsere Demonstration am Trans Day of Remembrance 2023 zu ermöglichen.  

Wir haben uns heute hier versammelt, um unserer Toten zu gedenken, unsere Wut über ihren Tod kundzutun, und uns zu bestärken: wir haben vielleicht Angst, aber wir sind nicht allein. Wir werden einander inniger festhalten und einander aufmerksamer zuhören, und wir werden diese Zeiten überstehen – als eine Community. Sodass wir in 20 Jahren noch alle hier sein können, und zurückblicken und sagen, dass wir es geschafft haben. Und dann, lasst uns auf alles blicken, dass wir aufgebaut haben: Unser eigenes Glück. Unsere eigenen Familien. Unsere eigene Gesellschaft. Sodass wir uns nicht mehr darauf verlassen müssen, dass uns die Welt eines Tages wie von Zauberhand verstehen wird. Sodass wir aktiv alles schaffen können, was wir brauchen. Gemeinsam. Und dann, eines Tages, müssen wir vielleicht nicht mehr trauern. 

Dankeschön!